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Coffee & Cake

Der globale Süden und das Ende der Theorie der internationalen Beziehungen

Das aufkommende Bewusstsein des Globalen Südens erfordert eine kritische Reflexion der aktuellen Theorien der internationalen Beziehungen, insbesondere derjenigen, die im westfälischen System verwurzelt sind. Die meisten dieser Theorien gehen auf die historischen Interaktionen zwischen ehemaligen europäischen Kolonialstaaten zurück, die einen gemeinsamen Hintergrund haben, der aus den Religionskriegen, den daraus resultierenden Souveränitätsansprüchen sowie den Expansionskriegen und dem Kolonialismus herrührt.

Seit dem frühen 20. Jahrhundert haben sich internationale Theorien, die sich auf Krieg und Frieden konzentrieren, dahingehend entwickelt, dass sie eine Hobbes’sche Sicht der Anarchie als natürlichen Zustand der internationalen Beziehungen akzeptieren. Die Ansprüche des Globalen Südens stellen jedoch sowohl die Konzepte der „Anarchie“ als auch des „Internationalen“ in Frage und positionieren sich eher als Subjekt denn als Studienobjekt. Andererseits ist er eher ein kollektives als ein souveränes Subjekt, was sein Handeln und Wirken unvorhersehbar und unbemerkt macht. Der Globale Süden zeichnet sich als einzigartiges Subjekt dadurch aus, dass ihm mehrere Elemente fehlen, die üblicherweise mit Kolonialmächten in Verbindung gebracht werden: der Wunsch nach Expansion, eine gemeinsame Ideologie, die es zu fördern gilt, eine hegemoniale Führung, der Durst nach Rache, ein einheitlicher Feind, dem man entgegentreten muss, und der Glaube an den Krieg als legitime Option, was einer Form negativer Souveränität ähnelt. Darüber hinaus zeichnet sich der Globale Süden durch eine reiche Vielfalt in Bezug auf ethnische Zugehörigkeit, Religion, Sprache, Entwicklung, Wohlstand, Geografie und natürliche Ressourcen, einschließlich Feldfrüchten und Mineralien, aus. Trotz dieser Unterschiede haben die Länder des Globalen Südens eines gemeinsam: Sie alle haben den kolonisierenden Staaten etwas Wertvolles zur Verfügung gestellt, sei es in Form von Schlachtfeldern, Arbeitskräften, Gütern, intellektuellen Beiträgen, strategischen Basen, Märkten, Versuchsfeldern oder dem Wohlergehen ihrer Bevölkerung.

Ort: Academy of International Affairs, Rheinallee 24, 53173 Bonn

Teilnahme:

nicht öffentlich